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C. Giron-Panel/ A.-M. Goulet (Hg.), La musique à Rome au XVIIe siècle : études et perspectives de recherche, Rom 2012.

 

A.-M. Goulet/G. zur Nieden (ed.), Europäische Musiker in Venedig, Rom und Neapel / Les musiciens européens à Venise, Rome et Naples / Musicisti europei a Venezia, Roma e Napoli 1650-1750, Kassel 2015 (= Analecta Musicologica 52).

 

Zirkulation und Musiktransfer: Musik und Musiker zwischen Venedig und Neapel (1650-1750)

Caroline Giron-Panel

In einer interdisziplinären Annäherung zwischen Geschichts- und Musikwissenschaft sollen verschiedene Quellen gegenübergestellt werden, um so die verschiedenen Modalitäten des Austauschs von Musikern und des Umlaufs ihrer Werke zwischen Venedig und Neapel an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert besser erfassen zu können. Aber ebenso um zu begreifen, wie die Passage zwischen Venedig und Neapel, die zwei Städte, die in dieser Zeit miteinander um den Titel einer „Hauptstadt der Musik“ rangen, ihre Karriere und ihre Kompositionen beeinflussen konnte. Dabei wird der Akzent auf ausländische Musiker auf der italienischen Halbinsel gelegt, die, wie etwa Johann Adolf Hasse, Methoden und einen ultramontanen Stil nach Italien importieren konnten, aber ebenso auch den Austausch von Modellen zwischen Neapel und Venedig ermöglichten. In einer komparativen Studie über venezianische Ospedali und neapolitanische Conservatori sollen auf Grundlage der histoire croisée verschiedene italienische Milieus vorgestellt werden, um besser verstehen zu können, wie ein „italienisches Modell“ von Ausländern wahrgenommen und jenseits der Alpen eventuell adaptiert werden konnte.

 

 

Präsenz ausländischer Musiker in Venedig und Neapel zwischen 1650 und 1750
In diesem ersten Teil sollen die Rahmenbedingungen für die Musiker aufgezeigt werden, wobei ausschließlich solche Musiker in den Blick genommen werden, die sich in dieser Zeit in Venedig und in Neapel aufgehalten haben. Eine vorläufige bibliographische Recherche, die durch Studien in den Archiven der beiden Städte komplettiert wird, dürfte es ermöglichen, zahlreiche Informationen über den italienischen Aufenthalt der betreffenden Musiker zu gewinnen, aber auch über den Einfluss dieses Aufenthaltes auf ihre späteren Kreationen. In diesem Zusammenhang wird auch eine Studie zu den Abhandlungen dieser Musiker vonnöten sein, die sie über Venedig und Neapel geschrieben haben. Diese sollen anhand von Reiseberichten und Briefkorrespondenz gewonnen werden. Der kulturelle Austausch zwischen Venedig und Neapel, soll anhand der Musiker veranschaulicht werden, die sich endgültig in einer der beiden Städte niedergelassen hatten. Die hierfür herangezogenen Beispiele sind Johann Adolf Hasse, Nicoló Porpora und Antonio Sacchini, und dies unter dem Aspekt einer komparativen Annäherung. Im weiteren Verlauf der Recherchen werden auch andere Musiker in den Blick genommen.

 

 

Die Verbreitung von Werken und pädagogischen Modelle
Die Präsenz von spezifischen Einrichtungen in den beiden genannten Städten, die dem Musikunterricht und der Aufnahme von Waisenkindern gewidmet waren, verdient eine veritable komparative Untersuchung. Die Tatsache, dass bestimmte Musiker, die näher betrachtet werden, so besonders Johann Adolf Hasse, zugleich an venezianische Ospedali und an neapolitanische Conservatori gebunden waren, legt die Frage nach der Möglichkeit einer Verbreitung von pädagogischen Modellen zwischen dem Königreich Neapel und der Republik Venedig nahe. Eine Studie zu den Unterrichtsmethoden und den Gesangsübungen, die in den venezianischen und neapolitanischen Einrichtungen üblich waren, verglichen mit anderen pädagogischen Methoden, die auf der Halbinsel und jenseits der Alpen gebräuchlich waren, wird zweifellos eine interessante Reflexion über die Verbreitung pädagogischer Modelle in Europa erlauben. Andererseits dürfte eine Recherche über den Austausch von Partituren zwischen Neapel und Venedig – eine unverzichtbare Voraussetzung für jeden Versuch, den musikalischen Austausch zwischen dem Königreich und der Republik zu verfolgen – neue Ergebnisse über die Kenntnisse liefern, die neapolitanische Liebhaber von venezianischer Musik hatten und umgekehrt. Diese Studie stützt sich vorwiegend auf eine Recherche in den Bibliotheken der beiden Städte, um die Geschichte ihrer musikalischen Sammlungen rekonstruieren zu können.
 

 

Konstituierung und Export eines „italienischen Modells“ über die Alpen hinweg
Eine Studie über die Präsenz von Ausländern in Venedig und Neapel kommt ohne eine Untersuchung der Rezeption des musikalischen Angebotes in den beiden Städten durch Reisende nicht aus. Durch eine systematische „Neuauslegung“ der Korrespondenzen, Reiseberichte und verschiedener anderer Zeugnisse, die Europäer, die sich zwischen 1650 und 1750 auf der Halbinsel aufhielten, hinterließen, kann die Art und Weise erfasst werden, wie Ausländer diese musikalischen Ausbildungsstätten in Venedig und Neapel wahrgenommen haben. Demnach wurden diese disparaten Einrichtungen nach und nach emblematisch für die italienische Situation, indem sie ein sogenanntes „italienisches“ Kunstmodell entstehen ließen: Obwohl keine einzige Quelle explizit eine Verbindung zwischen Ospedali und Konservatorien enthält, vermischen sich diese Einrichtungen gleichwohl nach und nach im Unterbewusstsein der Reisenden, die die „italienischen Konservatorien“, die modellhaft gegenwärtig waren, evozierten. Von besonderem Interesse sind hierbei die Elemente, die von den Reisenden wahrgenommen und schließlich beibehalten wurden, weil sie von Interesse und geeignet waren, in ihr Heimatland exportiert zu werden. Die für diese Studie herangezogenen Quellen zum europäischen Export eines italienischen Modells sind zweifacher Natur: Neben den Archiven der effektiv gegründeten Einrichtungen anhand des Modells italienischer Schulen werden Projekte herangezogen, die lediglich „tote Buchstaben“ der Konservatorien von London, Paris oder Leipzig blieben.

Kontakt

Anne-Madeleine Goulet

Centre d’études supérieures de la Renaissance

59 rue Néricault-Destouches

BP 12050

F-37020 TOURS Cedex 1

anne-madeleine.goulet(at)univ-tours.fr

 

Prof. Dr. Gesa zur Nieden

Universität Greifswald

Institut für Kirchenmusik und Musikwissenschaft

Bahnhofstr. 48/49

D-17489 Greifswald

Tel.: 0049-3834-420-3522

gesa.zurnieden(at)uni-greifswald.de

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